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Aktualisiert im Apr. 2024

Guten Tag, Herr Röösli. Nutzen Sie bei sich zu Hause kabellose Telecom-Technik wie WLAN?

Ja. Warum fragen Sie?

Nun, viele Menschen fürchten sich vor «Elektrosmog», der auch von WLAN-Geräten ausgehen soll. Ist denn da gar nichts dran?

Sie haben Recht – in der Tat hält sich diese Sorge erstaunlich hartnäckig in der öffentlichen Meinung. Immerhin glauben mit rund 50 bis 60 Prozent recht viele Menschen an negative gesundheitliche Auswirkungen von Strahlung, die von nichtkabelgebundenen Datenübertragungsgeräten ausgeht. Das besagt zumindest der «Mobilfunkmonitor», eine wiederkehrende repräsentative Befragung bei uns in der Schweiz. Dabei vermischen die meisten die sehr unterschiedlichen Strahlungsquellen und fällen ihr Urteil pauschal. Doch der Körper wird zum Beispiel beim Telefonieren mit dem Smartphone deutlich stärker bestrahlt als beim Surfen mit WLAN zu Hause.

Strahlen alle kabellosen Geräte, die für die Telekommunikation genutzt werden, gleich?

Als Faustregel gilt: Je weiter ein Gerät sendet und je näher es am Körper betrieben wird, desto stärker die Strahlenbelastung für den Nutzer. Konkret: Ein Mobiltelefon muss unter Umständen mehrere Kilometer weit senden und wird meistens am Körper betrieben. Darum stammen im Durchschnitt 90 bis 95 Prozent der gesamten Strahlenbelastung vom eigenen Mobiltelefon. WLAN-Geräte senden dagegen nur einige zehn Meter weit und häufig befindet sich das Gerät beim Surfen nicht unmittelbar am Körper. WLAN trägt also im Durchschnitt nur wenig zur Gesamtstrahlenbelastung bei.

Woher kommt die Angst vor Elektrosmog?

Grundsätzlich macht es aus Sicht unserer Evolution Sinn, dass der Mensch vorsichtig mit Gefahren umgeht. Schliesslich will jeder von uns überleben. Elektromagnetische Strahlung kann man nicht wahrnehmen, deshalb gibt es häufig falsche Vorstellungen darüber, wie stark wir ihr ausgesetzt sind. Daher schätzen viele häufig auch Situationen als potenziell bedrohlich ein, die eine effektiv sehr geringe Strahlenbelastung mit sich bringen. Viele Beschwerden, die auf keine eindeutige Ursache zurückzuführen sind, wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen, aber auch ernsthafte Erkrankungen im Nervensystem oder gar Krebs, werden dann auf den sogenannten Elektrosmog zurückgeführt.

Hand aufs Herz: Wie gefährlich ist ein WLAN-Gerät?

Wenn Menschen ihre Beschwerden auf Geräte wie WLAN-Router zurückführen, ist das grundsätzlich ernst zu nehmen. Klar ist: Es gibt viele Studien zu diesem Thema – und darin finden sich keine Hinweise auf gesundheitliche Gefahren durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung. Was dazu kommt: Sind Studienteilnehmer überzeugt von Gefahren durch elektromagnetische Strahlung, so klagen sie auch häufiger über Symptome. Forscher nennen das den «Nocebo-Effekt». Der funktioniert wie der bekannte Placebo-Effekt, mit dem Unterschied, dass eine negative Wirkung derart stark angenommen wird, dass sie subjektiv eintritt.

Wie gesichert ist denn der Wissensstand hier?

Natürlich gibt es noch Unsicherheiten. Zum Beispiel können Forscher bei Strahlenbelastungen im Bereich der Grenzwerte Effekte wie die Bildung von freien Radikalen beobachten. Bisher konnte aber nicht aufgezeigt werden, dass von solchen kurzfristigen Effekten langfristige Gesundheitsgefahren ausgehen. Unterhalb der Grenzwerte sind bisher keine Gesundheitseffekte nachweisbar.

Zum Schluss ein Blick nach vorn. Wie schätzen Sie die Entwicklung der Strahlenbelastung ein, wenn Sie an vernetzte Smart Homes, den neuen 5-G-Standard im Mobilfunk und die generell fortschreitende Digitalisierung denken?

Auf der einen Seite gibt es immer mehr Geräte, die strahlen. Auf der anderen Seite haben wir die Technologie, die laufend effizienter wird. Es ist deshalb nicht klar, ob die Strahlenbelastung zunehmen wird. Ein Blick zurück hilft: In den vergangenen zehn Jahren haben wir in unseren Studien keine Zunahme der Strahlenbelastung festgestellt, obwohl mit der Einführung von Smartphones die Mobilfunknutzung stark zugenommen hat. Das heisst, in Bezug auf die Strahlenbelastung hat die effizientere Technologie die zunehmende Nutzung kompensiert. Ob das aber auch in Zukunft so sein wird, kann ich nicht beantworten.

Der Strahlenexperte

Martin Röösli ist Professor für Umweltepidemiologie und leitet die Einheit Umwelt und Gesundheit am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel. Er erforscht Gesundheitsauswirkungen von Umweltfaktoren wie ionisierender und nichtionisierender Strahlung (zu letzterer zählt die hochfrequente elektromagnetische Strahlung von Mobilfunk und Funknetzwerken), Luftbelastung, Lärm, Klima, Pestizide und Passivrauchen.

Er hat dazu Dutzende von Studien durchgeführt und weit über 100 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Zudem ist er Mitglied in mehreren nationalen und internationalen Kommissionen zu umweltbedingten Gesundheitsrisiken, unter anderem in der Internationalen Kommission für Nicht-ionisierende Strahlung (ICNIRP) und der Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung. Martin Röösli leitet die Beratende Expertengruppe nichtionisierende Strahlung (BERENIS).
Martin Röösli, Strahlenexperte
Martin Röösli, Strahlenexperte

Zürich-Studie zur Gesamtexposition

Geringe Strahlenwerte durch WLAN im Vergleich zu anderen Emittenten: 
Strahlenwerte durch WLAN im Vergleich zu anderen Emittenten
Zu Hause genutzte Telecom-Geräte tragen relativ wenig zum Elektrosmog bei, auch der Grossteil durch Mobilfunk gilt derzeit als unbedenklich: Übersicht zur gesamten Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung in der Umwelt, hier am Beispiel des Kantons Zürich (zuletzt gemessen in 2015).

…sowie zu den Orten mit der höchsten Belastung durch Strahlen:
Im Vergleich der Nutzungsorte fällt kabellose Telecom-Technik zu Hause wie WLAN am geringsten ins Gewicht. Am höchsten ist die Strahlenbelastung dagegen im ÖV, vor allem im Zug.
AAm höchsten ist die Strahlenbelastung im ÖV, vor allem im Zug. Die Masseinheit versteht sich als Volt pro Meter.
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Aktualisiert im Apr. 2024